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Projekt 6: Industriepark + Gartenstadt Marga

Energiekathedralen und Ringelblumen

Lange Zeit fast vergessen, lag Deutschlands älteste Gartenstadtsiedlung »Marga« in einem Dornröschenschlaf. Nachdem sie in den letzten Jahren wachgeküsst wurde, erstrahlt sie wieder in altem Glanz. Auch der benachbarte Industriepark in Brieske bei Senftenberg entwickelt sich zu einem innovativen Produktionsstandort der Energiewirtschaft und knüpft zusammen mit der Gartenstadt an die ursprüngliche Idee an, Arbeiten und Wohnen zu verbinden.

AUSGANGSSITUATION

Ausgehend vom Dorf Bückgen entwickelte sich die Gegend zwischen Großräschen und Senftenberg zu einem Schwerpunkt der Industrialisierung in der Lausitz. Ab 1906 ließ die historische Ilse Bergbau-Actiengesellschaft (I.B.A.) in Brieske eine Wohnsiedlung für ihre Arbeiter der Grube Marga und die angeschlossenen Industrieanlagen errichten. Mit dem Bau wurde der Dresdner Architekt Georg Heinsius von Mayenburg beauftragt. 1914 war die »Kolonie Marga« mit ihrem ungewöhnlichen kreisförmigen Grundriss fertiggestellt. Um den großen Marktplatz gruppierten sich die repräsentativen öffentlichen Gebäude im Jugendstil. Die Infrastruktur war vorbildlich und umfasste neben hellen, individuellen Wohnhäusern mit eigenen Gärten auch eine Schule, ein Kaufhaus, verschiedene Geschäfte, den Gasthof »Kaiserkrone« und sogar eine eigene Kirche.

Mit »Marga« begann das sozialreformerische Bauen in Deutschland als Antwort auf die schlechten Wohnbedingungen der Arbeiter in den schnell wachsenden Städten der damaligen Zeit. Die Wohnsiedlung wird deshalb als erste deutsche Gartenstadt bezeichnet, obwohl die Deutsche Gartenstadtgesellschaft damals nicht direkt am Objekt beteiligt war.
Die Werkssiedlung blieb zwar in ihrer baulichen Substanz stets erhalten, wurde aber jahrzehntelang vernachlässigt und war in den 1990er Jahren teilweise verfallen, ihre kulturhistorische und städtebauliche Bedeutung war in Vergessenheit geraten. Nach der Wende wurden große Teile des benachbarten Industriestandortes mit seinen historischen Industriebauten abgerissen und sollten einem modernen Gewerbegebiet weichen.

PROJEKTVERLAUF

Aufgrund seiner besonderen Bedeutung für die regionale Geschichte und Baukultur wurde das Projekt zu einem Startprojekt der IBA, die sich seither für den Erhalt und die Entwicklung der Wohnsiedlung und des Industrieparks einsetzte. Zwischen 1998 und 2000 ließ die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft TLG als Eigentümerin die Siedlung mit finanzieller Unterstützung des Landes Brandenburg denkmalgerecht sanieren.

2000 konnte Marga als EXPO-Korrespondenzstandort präsentiert werden. Im Zuge der Sanierung wurde die Zahl der Wohneinheiten in den 72 Wohnhäusern von 500 auf 396 reduziert, um heutigen Anforderungen an größere Wohnungszuschnitte gerecht zu werden. Die Wohnungen sind alle vermietet. Die Geschäftsflächen am Marktplatz und rund um den ebenfalls sanierten, dörflich wirkenden »Margahof« stehen hingegen teilweise leer. Das Gast- und Kulturhaus »Kaiserkrone« gibt es bis heute. Auch der angrenzende, sogenannte »Konzertgarten« mit seinem Musikpavillon wurde saniert und der völlig verschwundene »Kaffeegarten« vor der »Kaiserkrone« rekonstruiert. In das ebenfalls sanierte, große Schulgebäude direkt am Markt konnten 2009 eine private Grundschule, ein Kindergarten und private Weiterbildungseinrichtungen einziehen. Anwohnern und Besuchern bietet sich heute eine von privaten und öffentlichen Grünflächen durchzogene Siedlung mit einer großen Vielfalt an Häusern und vielen liebevollen Details.

Vom angrenzenden Industriestandort mit seiner Brikettfabrik blieben nur wenige Bauwerke übrig: Die Kraftzentrale und das Badehaus sowie kleinere Nebengebäude stehen unter Denkmalschutz und stellen heute symbolhafte Zeugen der Industriegeschichte des Standorts dar – müssen aber noch gesichert und saniert werden. Die restlichen Gebäude wurden abgerissen und das Gelände als moderner Industriepark erschlossen. Als Erfolg dieser Bemühungen der Senftenberger Wirtschaftsförderung, der LMBV und der IBA haben sich in dem 114 Hektar großen Industriepark bislang eine Solarzellenfabrik und eine große Biogasanlage angesiedelt. Der Biogashersteller bezieht seine nachwachsenden Rohstoffe von einheimischen Landwirten, die so zu Energiewirten werden, und erprobt die Nutzung von Nebenprodukten als Dünger zur Rekultivierung von Bergbaufolgelandschaften.
Die IBA betrachtet Gartenstadt und Industriepark als kulturhistorische Einheit. Modellhaft wird hier gezeigt, wie ein Stück Industriekultur als Arbeitsstätte und Wohnort erhalten und belebt werden kann.

AUSBLICK

Die verfallende Gartenstadt konnte erhalten, saniert und zu einem großen Teil wiederbelebt werden. Der alte Ballsaal als Teil der »Kaiserkrone« steht hingegen seit Jahren leer. Private Initiativen verschiedener Kulturschaffender aus Senftenberg haben hier interessante Ansätze einer Nachnutzung aufgezeigt. Im Ergebnis soll der Saal nun als letzter unsanierter Bereich in Marga 2011 von der privatwirtschaftlichen Lausitzer Bildungsträger gGmbH saniert und anschließend unter anderem von einer Tanzschule genutzt werden. Auch eine Mitnutzung durch die gegenüberliegende Grundschule ist geplant.

Für den Margahof hinter dem Marktplatz und dem Kaufhaus gibt es eine Vision für die Ansiedlung von lausitztypischem Handwerk, Kunstgewerbe und kleinen gastronomischen Einrichtungen. Ein in Milieu und Erlebnis einmaliger Raum würde entstehen. Ein Ort, der Anziehungspunkt für Besucher wäre, die auf ihrer Reise durchs Lausitzer Seenland hier ein originelles Souvenir erwerben könnten, dessen Entstehung sie miterlebt haben.

Für einige Flächen und Gebäude des Industrieparks müssen ebenfalls noch tragfähige Nutzungen gefunden werden. So wird weiterhin an Konzepten für die Nachnutzung der historischen Waschkaue und der Kraftzentrale gearbeitet. Künstlerische Bespielung oder auch Diskoabende in der Kraftzentrale schufen in den vergangenen Jahren Aufmerksamkeit für das Anliegen und sind Ansätze für einen Neubeginn. Das Ziel, beide Gebäude als Wahrzeichen des Industrieparks und als zentral gelegene, gemeinschaftliche Orte zu entwickeln, ist bislang nicht erreicht worden. Weitere Optionen werden geprüft, damit die Gebäude mit neuem Leben gefüllt und erhalten werden können.
www.erste-gartenstadt.de

Flyer zum Download: Gartenstadt Marga (1.3 MB)

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letzte Änderungen: 26.1.2017 13:13